Der Fall

Im Spätsommer 2015 sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Satz, dessen schneller Untergang nach einer grundsätzlichen Anpassung des weltweit liberal-opportunistischen Politikstils an die desaströsen globalen Verhältnisse verlangt. Wie ein Hilferuf eines im Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlings verstummt auch dieser von Merkel mutige, vorerst letzte Versuch auf Rettung insgesamt. Mich motiviert die sagenhafte Ignoranz meiner europäischen Landsleute dahingehend, dass ich seither ohne Unterlass für die Öffnung sämtlicher Grenzen Europas kämpfe.

Hier gebe ich nun auf eine neue Weise einige Gedanken aus Rombachs Strukturanthropologie, an deren Inhalte ich mein künstlerisches Schaffen messe und das Gegebene in zwei daran angelegten Collagen darzustellen versuche.

 Wo immer sich der Mensch als Subjekt und die Wirklichkeiten als Objekte versteht, ist der ontologische Verfall, also der das Seiende betreffende Verfall eingetreten, in dem es Gelingen nicht mehr gibt, es sei denn unvermerkt und als „glücklicher Zufall“. Innen und Außen bilden nicht mehr eine lebendige Einheit, sondern sind verschiedene Sphären. Aus einer lebendigen Gesamtsituation werden völlig verschiedene Dinge, das Ich und eine entgegenstehende Realität, die Gegen-stände. Die Sphären haben nichts miteinander zu tun und können nur von Fall zu Fall in Beziehung zueinander gebracht werden, entweder so, daß sich das Bewußtsein nach der Realität richtet, das ist Erkenntnis, oder so, daß sich die Realität nach dem Bewußtsein richtet, das ist Handlung. Damit ist natürlich auch Erkenntnis und Handeln zertrennt, und auch sie müssen von Fall zu Fall durch erneuerte Erkenntnis und erneuertes Handeln zur Deckung gebracht werden.

Sofort zerfällt natürlich auch die Wirklichkeit in das „von Fall zu Fall“, und das Leben verliert sich im Zu-fall der Einzelfälle. Da dem einen dies, dem anderen anderes zufällt, zerfallen auch die Menschen in „sich“ und die „anderen“, und auch hier wird es schwierig, Zusammenhänge herzustellen, die nicht von vornherein an der Unterschiedlichkeit scheitern. Scheitern sie, was nach der Lage unvermeidlich ist, so zerfällt die Welt noch mehr in die nackten Tatsachen, in denen das Gemeinsame und Verbindende immer mehr zu einer Täuschung und Selbsttäuschung schrumpft, so daß am Ende nichts als der Trümmerhaufen bloßer Faktizitäten übrigbleibt, das Insgesamt dessen, „was der Fall ist“ (Wittgenstein).

Titel: Der Fall in seinen Sphären
(zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Titel: Der Fall wie er sich uns zeigt
(zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)

Dieser Zerfallsvorgang ist ein Reduktionsgeschehen, in dem nicht nur die Einheiten ständig kleiner werden, sondern auch ihre Kräfte und Möglichkeiten. Die Zerfallsinterpretation des Menschen verkleinert und reduziert den Menschen auf einen Rest, als der es sich nicht mehr zu leben lohnt. Das Erstaunliche und Erschütternde ist aber, daß die herrschende wissenschaftliche Auffassung des Menschen nicht nur einer solchen Verkleinerungstendenz zum Opfer fällt, sondern daß sie zunehmend den reduzierten Menschen produziert, auf den sie zugeschnitten ist. Dadurch, daß die menschlichen Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten, Erziehungs- und Kommunikationsmöglichkeiten, Informations- und Entscheidungsmöglichkeiten mehr und mehr vom Erkenntnis- und Denkarsenal dieser reduzierten Humanwissenschaften bestimmt werden, wird der Mensch mehr und mehr in seiner Lebenswirklichkeit reduziert. Da diese reduzierten Möglichkeiten zu Systemen zusammengefaßt werden, kommt man dennoch zu einer großartigen Gesamtwirkung, und das Hervorbringen riesiger Gebilde in Industrie, Politik, Verkehr und Erziehung täuscht über die faktisch geschehende Verkleinerung des Menschen hinweg. Gemessen an dem, als was sich der Mensch in Antike und Mittelalter fühlte, ist das, als was er heute lebt, nur noch ein Trümmerstück. Daher unsere Bemühung, zu den alten Dimensionen zurückzufinden, und diese dem Menschen in neuer Weise und unter Verwendung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten, aber nicht mehr unter ihrer Herrschaft, zugänglich zu machen.“

Wir schaffen das
Titel: Wir schaffen das
(zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)

Das im Bild projizierte Bild wurde von mir farblich umgestaltet. Das Orginal stammt von Banksy, einem britischen Graffiti-Künstler, der durch das Schreddern eines seiner Werke (Balloon Girl) während es bei einer Auktion versteigert werden sollte, endlich seinen Bekanntheitsgrad auf ein Maß vergrößern konnte, das ihm m.E. zurecht zukommt. Sie erinnern sich sicherlich an diesen genialen Coup! Hier das Orginal und die Verlinkung zur outdoor-gallery auf seiner Homepage.

Banksy
Refugees in a boat
Flüchtlinge in einem Boot
Titel: Refugees in a boat
(Zu “banksy’s homepage” gelangen Sie mit einem Klick auf das Bild)